Staffellauf #77 von Leya Lourenco • 13. November 2025
Musik gehört zum Film wie der Dialog. Klar, manch eine*r kommt auch ganz ohne aus – aber sie gehört eben dazu und kann uns „richtig was fühlen” lassen, wie etwa Ennio Morricones ikonische Melodie in Sergio Leones Italowestern „Spiel mir das Lied vom Tod” (1968).
Oft – wie auch bei Leone – wird die Musik extra für den Film komponiert. Manchmal greifen Filmschaffende aber auch auf bereits existierende Songs zurück, dann spricht man von einem sogenannten „Needle Drop”. Ein bekannter Song kann so einem Film neue Bedeutung verleihen, Gefühle intensivieren und Bilder auf eine Weise kommentieren, die man erst beim Zusammenspiel von Ton und Bild versteht. Quentin Tarantino ist zum Beispiel bekannt dafür, mit dieser Technik zu spielen. Hier sind meine Top 5 Needle Drops aus Film und Serien (wobei es noch so viel mehr gibt!).
1. „You met me at a very strange time in my life”
Starten wir mit einem Klassiker: In der Schlussszene von David Finchers „Fight Club" (1999) spielt „Where is my Mind" von den Pixies – ein Song, der mittlerweile fast so ikonisch ist wie der Film selbst. Der namenlose Erzähler (Edward Norton) trifft in seiner Sinnkrise auf den charismatischen Tyler Durden (Brad Pitt) und gerät in eine chaotische Welt aus Anarchie und Männlichkeitswahn. In der letzten Szene setzt dann das Gitarrenriff und die geisterhaften „Ohoo"-Background-Vocals der Pixies ein und es wirkt plötzlich ruhig, fast friedlich – im Gegensatz zum restlichen Film und zu dem, was wir eigentlich sehen. Was wir hören, wirkt also im Kontrast zum Gezeigten und schafft damit eine neue Bedeutung irgendwo zwischen Orientierungslosigkeit und seltsamer Befreiung.
2. „I don't like to do what people expect“
Einer meiner liebsten Teeniefilme ist wohl „10 Dinge, die ich an Dir hasse” (1999) – er ist lustig, clever und natürlich total stereotypisch, wie es sich für ein High-School-Drama eben gehört! Es geht um Kat (Julia Stiles), sie ist draufgängerisch, smart und vielleicht auch etwas gemein. Sie gilt in der Schule als Enfant Terrible, weil sie es nicht allen recht machen will und gerne mal widerspricht. Das erste Mal sehen wir Kat in ihrem Auto auf dem Weg zur Schule, das Lied „Bad Reputation” von Joan Jett & The Blackhearts spielt auf voller Lautstärke. Allein die erste Zeile des Songs „I don't give a damn 'bout my reputation” zeigt uns schon, wer Kat ist, ohne dass sie selbst nur ein Wort sagt, und setzt genau den richtigen Ton für den Rest des Films!
3. „Now let’s see his fucking cards”
Wenn ich „I wanna be your dog” von den Stooges höre, denke ich sofort an Guy Richies „Bube Dame König grAS” (1998) – einer meiner absoluten Lieblingsfilme. In der Szene, in der der Song spielt, verliert der kleinkriminelle Eddy (Nick Moran) gerade eine illegale Runde Poker, von der er und seine Ba
nde sich das große Geld versprochen haben. Sobald Eddy die folgenschwere Niederlage realisiert, fährt die Kamera mit einem wackeligen Vertigo-Shot noch mal richtig nah an sein verzweifeltes Gesicht heran und ein lautes, verzerrtes Gitarrenintro und Iggy Pops raue Stimme ertönen. Eine so atmosphärische Szene, die so gut zu dieser coolen, roughen Stimmung des Films passt!
4. „It's Saul Goodman”
Die „Breaking Bad”-Spin-off-Serie „Better Call Saul” (2015–2022) strotzt nur so vor Kreativität – und die Eröffnungsszene der siebten Episode aus der vierten Staffel ist ein Paradebeispiel dafür. In der Serie geht es um den erfolglosen, aber wohlwollenden Anwalt Jimmy McGill (Bob Odenkirk), der sich in den skrupellosen Strafverteidiger Saul Goodman verwandelt – und dabei Stück für Stück sein Privatleben und seine Beziehung zu Kim Wexler (Rhea Seehorn) aufs Spiel setzt.
Die Folge beginnt mit einer Parallelmontage, die Jimmys und Kims Alltag über mehrere Monate hinweg zeigt. Beide funktionieren nebeneinander her: Sie frühstücken, arbeiten, kommen nach Hause, fallen ins Bett. Manchmal sind sie im selben Raum, manchmal räumlich getrennt, doch der schwarze Balken, der das Bild teilt, bleibt immer zwischen ihnen. Im Hintergrund läuft „Somethin’ Stupid“ in der Coverversion von Lola Marsh – eigentlich eine süße Liebesballade über die Angst, etwas Dummes zu sagen und eine Beziehung zu ruinieren. Hier aber wird sie zur bittersüßen Untermalung einer Liebe, die still auseinanderdriftet.
5. „Is that tree your friend?”
Für mich ist Wim Wenders „Perfect Days” (2023) einer der besten Filme der vergangenen Jahre. Der Film hat mich noch lange Zeit beschäftigt, und „Mitschuld” daran hatte eine wirklich wunderschöne Schlussszene. Der Toilettenreiniger Hirayama (Kōji Yakusho) lebt im Alltagstrott und fühlt sich da zwischen seinen Büchern und gelegentlichen Schnappschüssen von Bäumen auch sichtlich wohl. Im Laufe des Films gerät seine Routine aber ins Wanken und er muss aus seiner Komfortzone heraus. In der letzten Szene treffen dann ganz viel Trauer, Freude und das Lied „Feeling Good”, gesungen in der warmen Stimme von Nina Simone, zusammen – ganz großes Kino!