Staffellauf #74 von André Pitz • 23. Oktober 2025
Das immer wieder auch das Kino treffende Sommerloch liegt für dieses Jahr nun wirklich endgültig hinter uns – spätestens seit Paul Thomas Andersons Widerstandsthriller „One Battle After Another" (2025) mit Chase Infiniti und Leonardo DiCaprio.
Aber den empfiehlt Dir sowieso jede*r. Deshalb habe ich Dir die besten Filme, die nicht „OBAA" sind und die ich in den vergangenen Wochen auch auf meinen Lieblingsleinwänden in Leipzig gesehen habe, herausgesucht.
„Miroirs No. 3" von Christian Petzold
Vor zwei Jahren gelang Christian Petzold mit „Roter Himmel" (2023) ein absolutes Meisterstück von Sommer- und Liebesfilm (den Du gerade noch bei Arte in der Mediathek streamen kannst). Deshalb waren die Erwartungen an seinen neuen Film, „Miroirs No. 3" (2025) vielleicht noch ein bisschen höher als sowieso schon beim Namen Petzold.
Der Film dreht sich um Laura (Paula Beer), die nach einem schweren Autounfall vorerst bei ihrer Ersthelferin Betty (Barbara Auer) unterkommt, die selbst eigentlich noch einen schweren Verlust verarbeiten muss.
Nach dem Kino habe ich im September an anderer Stelle festgehalten:
Ein ganzer Film als Summe unendlich vieler Echos einer unwiederbringlichen Vergangenheit, in der scheinbar nur Schmerz begraben liegt.
Christian Petzold hat ein sehr feines Gespür für all die emotionalen Nuancen, die sich zwischen den überlebensgroßen Gefühlen auftun, und weiß, wie er seine Figuren darin elegant platzieren kann.
„Kontinental '25" von Radu Jude
Der Rumäne Radu Jude ist einer der interessantesten und außerdem wohl produktivsten Filmemacher dieser Zeit. Mit seiner scharfzüngigen Gesellschaftsanalyse „Bad Luck Banging or Loony Porn" (2021) gewann er den Goldenen Bären auf der Berlinale. Eine Handvoll Kurzfilme später meldete er sich schließlich mit dem wilden Ritt „Erwarte nicht zu viel vom Ende der Welt" (2023) zurück, der auch bei uns in der Redaktion schließlich unter den Favoriten des vergangenen Jahres landete.
Dieses Jahr war Radu Jude dann zurück auf der Berlinale mit „Kontinental '25", der aktuell regulär in einigen Programmkinos läuft. Darin geht es um eine Gerichtsvollzieherin, die zunehmend darunter leidet, im Beruf etwa gegen armutsbetroffene Menschen vorgehen zu müssen.
Im Zentrum des Films steht ein Motiv, das uns alle angeht: die soziale Schere und die fast schon propagandistische Mär von der Individualverantwortung für eigentlich politisch zu lösende Probleme.
An anderer Stelle habe ich zusammengefasst:
Radu Jude fängt hier meiner Meinung nach die abstruse und paradoxe Gleichzeitigkeit von absolutem Stillstand und der exponentiellen Verschlechterung der Gesamtgegebenheiten bei verblendeten Wohlstandserzählungen ziemlich gut ein.
„The Mastermind" von Kelly Reichardt
Kelly Reichardt ist bekannt für ihr großes Herz für Außenseiter:innenfiguren und unkonventionelle Zugänge zu verschiedensten Genres – wie etwa ihr ganz wunderbarer „First Cow" (2019), der gerne als Anti-Western beschrieben wird.
Ihr neuster Film heißt „The Mastermind" und der hat bereits das Label des Anti-Heist-Films aufgedrückt bekommen. Denn Josh O'Connor dilettiert sich durch einen Kunstraub und muss dann damit leben, dass sein Leben in tausend Teile zerbricht, es also mal so gar nicht wie in „Ocean's Eleven" (2001) läuft.
„The Mastermind" jedoch lediglich als gegenteiligen Entwurf dazu zu sehen, scheint mir viel zu kurz gegriffen. Denn Reichardt entwirft mit ihrem Protagonisten eine extrem vielschichtige Figur, von der sich Generationenkonflikte, an Erwartungen geknüpfte Rollenbilder und politische Verhältnisse ablesen lassen.
„Yes" von Nadav Lapid
Nadav Lapids Lapids grandioser 2019er Berlinale-Gewinnerfilm „Synonymes" hat mich auf ihn als Regisseur aufmerksam werden lassen. Der reguläre Kinostart von seinem neuen Film „Yes" (2025) steht uns jedoch noch bevor. Ich kann Dir aber schon vor dem 13. November verraten, dass sich ein Kinobesuch absolut lohnen kann. Ich habe „Yes" nämlich bereits auf dem kleinen und immer wieder sehr feinen Gegenkino-Festival bei mir in Leipzig gesehen.
Der Film dreht sich um einen Musiker und eine Tänzerin, die sich sozusagen als professionelle Partygäste durchschlagen und sich nebenbei irgendwie noch um ihr Baby kümmern müssen, während sie selbst und ihre Heimat Israel in den Nachwehen des 7. Oktobers 2023 gespalten und gebrochen scheinen.
Lapid, der selbst Israeli ist, aber seit geraumer Zeit in Paris lebt, hadert in diesem Film mit seiner Heimat, der dort betriebenen Politik, den zu wegwischbaren Pushmitteilungen gewordenen Grauen des Krieges und mit der Liebe. „Yes" ist sicherlich kein einfacher, aber im allerbesten Sinne herausfordernder Film.
Also: Viel Spaß im Kino!